Heute lag das neue Update-Magazin für digitales Marketing bei mir in der Post, was mich daran erinnert, dass ich meinen Kommentar in selbigem noch nicht gebloggt habe:
Als am 22. Oktober einige Wiener Studenten spontan zu einem Flashmob gegen die chronische Unterfinanzierung des Bildungssystems aufriefen, konnte niemand wissen, welche Ausmaße die Proteste annehmen würden: Neben wochenlangen Besetzungen von Hörsälen in den wichtigsten Universitäten des Landes und Massendemonstrationen auf den Straßen sind die Proteste auch auf deutsche und italienische Universitäten übergeschwappt.
Zwei Dinge sind neu: Erstmals in der Geschichte des Landes werden Aktionen dieser Größenordnung dezentral organisiert – die offizielle Interessensvertretung steht am Spielfeldrand und sieht verdutzt zu. Administratives wird über Arbeitsgruppen und Wiki erledigt, über Twitter ausgesendete Hilferufe mobilisierten professionelle Unterstützung vieler Einzelner, auch weit jenseits des studentischen Umfelds. Networking in Reinkultur.
Zudem agierten die Studenten völlig autonom von Massenmedien: Zehntausende Zuseher informierten sich ungefiltert über den Livestream, was einen ”žKrawallo“-Spin im Boulevard weitgehend verhinderte. Selbst zur Massenmobilisierung haben ORF und Zeitungen ausgedient, diese erfolgte hauptsächlich durch Twitter (Hashtags #unibrennt und #unsereuni) und Facebook. Entsprechend zurückhaltend die Medienarbeit der Studierenden ”“ sie sind keine Bittsteller mehr.
Was ist passiert? Die Kosten für die Organisation in Gruppen sind auf Null gesunken: Was die ÖH mit ihrem 8-Mio-Budget nicht schafft, gelingt den Aktivisten kraft ihrer Medienkompetenz und Glaubwürdigkeit. Die Vernetzung in sozialen Medien macht jeden zum Multiplikator, der Schneeball war nicht mehr zu stoppen.
Wer jetzt schadenfroh auf das politische Establishment schaut, sollte daran denken, dass all das auch für die eigenen Kunden gilt. Ein Funke, und die Masse kann Feuer fangen. Wie schnell das geht, mussten in den letzten Wochen zwei Bekleidungshersteller erleben: Jack Wolfskin hatte Hobbybastler teuer abgemahnt, auf deren Produkten eine mit viel Phantasie an das Wolfskin-Logo erinnernde Katzentatze zu sehen war. Der deutsche Trikot-Hersteller JAKO bedrohte einen Blogger wegen eines satirischen Beitrags mit Klage.
Beide Unternehmen sahen sich innerhalb weniger Tage mit breiten, unsteuerbaren Solidarisierungsbewegungen konfrontiert, die zu Imageschäden, breiter Aufmerksamkeit und wenig schmeichelhaften Präsenzen in Wikipedia und Google führten. Beide Unternehmen mussten zurückrudern, ganz ohne dass es dafür den Konsumentenschutz gebraucht hätte.
Wie sieht’s mit Ihrem Unternehmen aus? Haben Sie Ihre Rechtsabteilung an der Leine? Ist Ihre Krisenkommunikation auf die neue Macht der Vielen vorbereitet?
Wenn Sie das bereits mit Ja beantworten, können Sie beginnen, die Vernetzung mit Ihren Kunden zu nutzen, um diese zu begeisterten Botschaftern ihrer Marke und zu Impulsgebern Ihrer Produktentwicklung zu machen.