Am 19. Oktober waren mein Kobuk-Co-Autor Hans Kirchmeyr und ich im Besprechungszimmer des Dekans des Juridicums geladen, um gegenüber dem Österreichischen Medienrat eine Beschwerde zu rechtfertigen, die Hans eingebracht hatte. Sie betraf die schamlose Verletzung der Persönlichkeitsrechte eines Mordopfers durch “Österreich” letzten Sommer. Der Anlass war eher wahllos aus den Unmengen der auf Kobuk dokumentieren journalistischen Fehler gewählt, es ging mehr darum, zu prüfen, ob dieser Medienrat überhaupt existiert oder sich tot stellt.

So saßen wir also im Zimmer des prominenten Verfassungsjuristen Heinz Mayer, der beim Medienrat den Vorsitz gibt, zusammen mit vier weiteren Ratsmitgliedern. Man hatte uns kulanterweise eingeladen, schließlich besaßen wir ja mangels Verwandtschaft zum Opfer keine Parteienstellung. Und selbst wenn, kostet doch eine Anrufung €700. Da saßen durchwegs honorige Damen und Herren, dennoch merklich ungeübt in der Sache. Einige Zeit wurde ziellos über den Fall diskutiert und es war schnell klar: Hier existiert weder ein definierter Ablauf noch ein Ethikkodex (wie der des dt. Presserats), nach dem man urteilen könnte. Zitat: Kodices gibt es viele, wir picken uns jeweils einen heraus, der gerade passt.
Nicht dass der Eindruck entsteht, der Medienrat hätte sich gerade erst gegründet – es gibt ihn schon seit 1,5 Jahren. Das erste Jahr seines Bestehens war jedenfalls nicht durch Aktivität geprägt. Die Website besteht beispielsweise aus.. einer einzigen einsamen Grafik.
Lustig auch die Legitimierung: Auch wenn der Ö. Journalistenclub, der viele Mitglieder hat, Geburtshelfer des Medienrats war, gibt es doch keine formale Beziehung. Die Legitimität des Medienrats entspringt.. seinen sieben – honorigen – Mitgliedern.
Heute dann die OTS-Aussendung: Der Medienrat hat sich tatsächlich dazu durchgerungen, “Österreich” auf Initiative von Kobuk zu verurteilen (die “zwei aufmerksamen Medienbeobachter” sind dann wohl wir). Nicht dass das jetzt irgendwelche Konsequenzen hätte, wie in Deutschland, wo das gerügte Medium die Rüge abdrucken muss. Hierzulande passiert einfach – nichts.
Aber ich fürchte fast, es ist eh die erste und letzte Verurteilung. Unzählige Fälle von Verletzungen von Persönlichkeitsrechten, von fahrlässiger oder auch mutmaßlich mutwilliger Falschinformation blieben auch in der Vergangenheit genauso unbehandelt wie Scheckbuchjournalismus der schlimmsten Sorte. Das bei seiner Gründung durch den Präsidenten des Journalistenclubs, Fred Thurnheim, vollmundig formulierte Ziel:
Der Medienrat (..) funktioniert ab dem heutigen Tag und daher ist eine Verschärfung des Mediengesetzes, wie es die Justizministerin andenkt, nicht mehr notwendig. Wir können, und wir sind in der Lage, die österreichische Medienlandschaft selbständig zu kontrollieren und auch entsprechend zu organisieren, was die Ethik des Journalismus betrifft.
Danach zu urteilen: Eindeutig kolossal gescheitert. Wobei, dazu fragt sich Heinz Mayer in der Antrittspressekonferenz (ab Minute 23:30):
Ich frag mich, was heißt “scheitern”? Wenn wir nicht angerufen werden, weil’s keine Notwendigkeit gibt, dann sind wir nicht gescheitert, sondern dann haben wir maximalen Erfolg erreicht.
Praktisch, dass den Medienrat niemand kennt, Anrufungen was kosten und nur direkt Betroffenen zur Verfügung stehen. Hauptsache ist: Maximalen Erfolg erreicht (bei minimalem Aufwand).
Und, wie gut, eine Verschärfung des Mediengesetzes hat’s auch nicht gegeben.
8 replies on “Wenn sich der Medienrat mal kurz nicht tot stellt”
Der Blick nach Deutschland zeigt auch nur auf den ersten Blick wirkliche Vorteile. Auch der Dt. Presserat ist mehr eine “freiwillige Selbstkontrolle”, deren Verurteilungen sind auch ohne Folgen. Die Veröffentlichung geschieht auf freiwilliger Basis. Auch hier wird sehr vorsichtig und diplomatisch agiert, um nicht zu sehr anzuecken. Denn das würde dazu führen, dass es eben nicht mehr zum guten Ton gehört, die Verurteilungen zu veröffentlichen.
Auch auffallend: Während es für Printorgane (wenigstens) ein Presseorgan gibt, darf im Fernsehen jede Lüge, Diffamierung und Meinungsmache gesendet werden, ohne dass jemand mit Folgen rechnen muss.
Eine (wirklich) freie Medienlandschaft zeichnet sich nicht durch das Fehlen von moralischen Instanzen aus.
Erfolg ist also, wenn den Medienrat keiner anruft =D
Das Leben ahmt halt keiner nach, da ist das Original auch weiterhin oft witziger als die Parodie.
Sehe ich das richtig, dass da Gerald Bäck Mitglied ist, einer der glorreichen 7 ??
@Markus: Yep :-)
Hm, der Mann versteht es, Prioritäten zu setzen. Ob ein Medienrat-Badge helfen würde? ;-))
am verblüffendsten finde ich ja, daß man dafür zahlen muß, damit man – am ende – gar nichts dafür bekommt!
das ist ja an “eigenartigkeit” kaum mehr zu überbieten.
nun zähle ich mich durchaus nicht zu jenen bürgern die der meinung sind, daß alles kostenlos zu sein hat – auch wenn ´s auf die gratis-tour (bald) nicht mehr finanziert werden kann.
aber ein “aufsichtsorgan” dafür zu bezahlen, daß es seiner freiwillig selbstauferlegten aufgabe nachkommt … bei allem respekt den herrschaften gegenüber: das finde ich doch einigermaßen befremdlich. aber die kröung des ganzen ist ja für eine “leistung????” zu bezahlen, ohne daß ich anspruch darauf habe auch irgend!!-etwas zu erhalten (in form einer verpflichtenden richtigstellung, o.ä.).
jetzt stelle ich mir mal vor, ich wäre ein medium (print, rundfunkt, etc.) und würde gegebenenfalls mit solch einem “medienrat” konfrontiert werden: mein interesse und mein bemühen, im sinne journalistischer ethik zu agieren, würde sich angesichts einer solchen “instanz” nicht exorbitant erhöhen.
wozu auch?
Ich möchte mich über diesen Beitrag beschweren? Auf welches Paypal-Konto muss ich die 700 Eulen einzahlen?
Hier entsteht nämlich der Eindruck, derlei wären zahn- und prozess-arm. Das mag für den Medienrat gelten, der ÖIR geht in diesen Punkten hingegen ganz andere Wege (und Beschwerden kosten bei uns auch nix, statt eines prominenten Verfassungsjuristen haben wir halt einen prominenten Facebook-Guru. Ist ja auch themengemäßer): http://internetrat.at
[…] Vertreter relevanter Printmedien zu gewinnen. Und insgesamt wurde bisher meines Wissens auch nur ein Fall […]