Erinnert sich jemand an die Entstehungsgeschichte von Windows? Windows startete nicht als Betriebssystem sondern als grafische Oberfläche für die Betriebssysteme DOS und OS/2. (Der Ur-Name von Windows war “Interface Manager”.)
Eine ähnliche Strategie steckt auch hinter Google Chrome: Chrome ist genausowenig nur ein Browser, wie Windows damals nur eine grafische Oberfläche war. Natürlich ist Chrome auch ein Browser. Und zwar eigentlich kein eigenständiger, sondern ein Safari-Klon, denn das Herz jedes Browsers ist die Rendering Engine, und die kommt bei Chrome von Apple: Webkit.
Chrome will also nur ein guter Browser sein, kein besserer. Hier geht es aber längst nicht mehr um Browser Wars – das Ziel ist in erster Linie MS Office, aber auch darüber hinaus eine Dominanz im Betriebssystemmarkt. Alle Punkte, in denen sich Chrome von anderen Browsern unterscheidet, sind direkte Angriffe auf den Betriebssystemmonopolisten in Redmond:
- Googles brandneue Javascript Engine V8 soll dafür sorgen, dass Web-Applikationen à la Gmail, Google Docs oder Spreadsheets schneller laufen. Vor allem aber werden mit V8 neue, deutlich komplexere und ressourcenintensivere Applikationen denkbar. Aber was bringt das, wenn nicht alle mit Chrome surfen? Zweierlei: Im Enterprise-Markt darf von homogenen Browserlandschaften ausgegangen werden. Ein Konzern, der von MS Office und Exchange auf Google Apps umsteigt, steigt dann halt auch auf Chrome um. Und zweitens: Chrome ist Open Source und will mit V8 den anderen Browserherstellern (allen voran Mozilla/Firefox) zeigen, wie’s geht.
- Wichtiger noch als V8 ist die native Unterstützung von Google Gears, womit diese Webapplikationen auch offline funktionieren. Gmail im Flieger, Kalenderzugriff im UMTS-Funkloch – mit Chrome alles kein Problem mehr. Und wieder will Chrome anderen Browserherstellern zeigen wie’s geht – und gleichzeitig uns Webapplikationsentwickler motivieren, Offline-Unterstützung über Gears einzubauen.
- Die Art und Weise wie Chrome einzelne Websites und Tabs als getrennte Prozesse enkapsuliert und den Speicherhunger von Webapplikationen reguliert, sieht schon sehr nach einem Betriebssystem aus: Da Chrome dazu gedacht ist, immer geöffnet zu bleiben (man schließt ja Windows auch nicht während der Arbeit), will man verhindern, dass der Browser dabei immer langsamer wird – oder einzelne Websites gleich den ganzen Browser zum Abstürzen bringen können.
- Außerdem können Web-Applikationen als Desktop-Verknüpfungen am Desktop abgelegt werden und öffnen dann ohne Browser-Elemente, nur mit einem Rahmen drum herum. Warum aber der Missing Link zwischen Internet und Betriebssystem nicht geschlossen wurde, ist mir schleierhaft.
Verwunderlich finde ich auch, dass Google Desktop Search nicht auch gleich voll in Chrome integriert wurde. Ist vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis das passiert.
Mit Chrome geht nicht nur das Zeitalter von Microsofts Dominanz zu Ende, (spätestens) Chrome läutet auch die Ära des Cloud Computing ein. Firmen mit eigener Server-Infrastruktur werden in ein paar Jahren der Vergangenheit angehören. Und auch der gute alte Personalcomputer wird hauptsächlich Applikationen ausführen, die in der “Cloud” laufen – das wird bei Bildbearbeitung oder irgendetwas anderem genauso selbstverständlich sein wie ich diesen Text hier nicht in lokalem Word sondern auf einer WordPress-Installation auf einem in LA gehosteten Server schreibe.
In das gleiche Horn stößt auch Marcel Weiss: Der Anfang von etwas Großem.
(Hinweis auf grafische Ähnlichkeit der beiden Logos via Thomas Vehmeier, via Robert Basic)
22 replies on “Google Chrome ist ein Betriebssystem, kein Browser”
Sehr guter POST, so hab ich das noch gar nicht gesehn! Ich werde machen was ich kann und das ist Chrome nicht zu verwenden und jedem den ich kenne davon abraten – das ist nicht viel – aber wenns jeder macht wird die Datenkrake nicht so schnell fett. Ich verstehe nicht wieso so viele sich einfach denken, dass Sie eh nix machen können.. Einfach nicht runterladen und Ihr habt schon viel gemacht!
@Wolfgang: Das ist eine legitime Konsequenz, ich sehe dafür aber keinen Grund. Ganz im Gegenteil, ich freue mich auf Cloud Computing, auf ein Ende des MS-Monopols und vor allem auf die Chancen, die sich für uns alle daraus ergeben. Denn ein “the internet is the OS”-Betriebssystem ist deutlich offener als die aktuelle Desktop-Logik.
Ehre, wem Ehre gebührt: Apple hat das WebKit von KHTML, der HTML-Renderengine des KDE-Projekts, geforked. Aber das nur am Rande.
Besonders erwähnenswert ist IMHO V8, die Javascript-VM. Die Ideen, die da drinnen stecken sind ja genial (wenn auch teilweise nicht wirklich neu), und durch die massive Performanceverbesserung im Vergleich zu anderen VMs wird JavaScript auf jeden Fall erstmals zu einer ernsthaften Alternative für größere Desktop-Applikationen.
[…] weitere lesenswerte Meinungen zum Thema Google Chrome Google Chrome Browser bewertet von The Pain Google Chrome ist ein Betriebssystem, kein Browser Google Chrome: Der Anfang von etwas Großem? Das Denk Fabrik zu Google Chrome und Geografie […]
Dann sind aber auch der IE, Firefox oder Opera “Betriebssysteme”. Ich verstehe die ganze Hype um den Chrome nicht. Ist schließlich nur ein Browser und (noch) nicht mehr. Zugegeben: schnell ist er. Aber reicht das?
@Georg: Ja, natürlich sind sie das (in meinem übertragenen Sinne). The network is the computer.
Aber kein Browser ist derart darauf ausgelegt und illustriert diesen Paradigmenwechsel (der zugegeben auch ohne Chrome in Gange ist) so wie Google Chrome.
wenn ich Deinen letzten eintrag punkto “missing link” lese, so könnte ich mir vorstellen, dass google darauf vorläufig verzichtet hat, um einen “bad press”-aufschrei für präsentation von chrome zu vermeiden. würde der klick auf ein .doc sofort google text&tabs öffnen, würde das überall berichtet und die assoziation zum “stil” von ms wäre stark (, denke ich).
dem urteil, man sei auch nur wie ms will sich google sicher nicht aussetzen.
wenn ich Deinen heutigen eintrag lese, dann denke ich – ohne es fachlich beurteilen und diese gedankenschritte machen zu können -, man kann doch bei google davon ausgehen, dass sie erstens wissen was sie tun, zweitens va. aber sehr prozessorientiert und strategisch denken, planen, operieren.
die frage müsste dann doch laufen, was hat google hier schon in planung, das nicht nur dieses “missing link” schließt sondern sicher gleich mehr, größer, anders ist?
oder?
Gut, aber Google Gears funktinoiert auch mit anderen Browsern. Und Shortcuts zu Web-Applikationen kann man schon seit ewigen Zeiten als Favoriten auch am Desktop ablegen.
@Georg: Eh, ich glaube Google hegt keine Exklusivitätsansprüche mit Chrome. Ich glaube man will Mozilla und Apple nur vorzeigen, welche Voraussetzungen man sich für ein WebOS vorstellt, um der Desktopwelt das Business abzugraben.
Google Chrome ist da – aber nicht mehr bei mir…
[…] Suchmaschinenbetreiber mit einem eigenen Browser (der mehr als nur ein Browser sein soll), der auf den Namen Chrome lautet. […]…
Genau das selbe predigt Arrington (Techcrunch) schon seit einer ganzen Zeit.
Nämlich das klassische Betriebssysteme (Windows im speziellen) und Applikationen der Vergangenheit angehören und im Lauf der nächsten Jahre alles in der Wolke ablaufen wird.
In dem Zusammenhang erinner ich mich auch an die Aussage irgendeines XBox executives der Prophezeit hat, dass es in einigen Jahren keine klassischen Spielekonsolen mehr geben wird sondern nur mehr Boxen mit einem Controller die Steuereingaben an Serverfarmen senden die alles berechnen und dann das fertige Bild an den Spieler zurück schicken.
Beides interessante Zukunftsperspektiven aber auch beide ein bisschen zu optimistisch meiner Meinung nach. Es wird noch länger dauern bis die Ära von Windows zu Ende geht.
Was mich an Chrome am meisten stört sind die Nutzungsbestimmungen.
Laut denen darf Google ALLES was man per Chrome erstellt (von Forumseinträgen über Blog-Kommentare bis Emails) verwenden und republizieren. Zu “Werbezwecken”.
Zum Thema Cloudcomputing siehe auch folgendes Gastposting von Marc Benioff (CEO von salesforce.com) auf TechCrunch:
Welcome to Web 3.0: Now Your Other Computer is a Data Center: http://www.techcrunchit.com/2008/08/01/welcome-to-web-30-now-your-other-computer-is-a-data-center/
Diese Ansicht was Web 3.0 sein wird, ist natuerlich stark von seinem Produkt gefaerbt.
Eric Schmidt, CEO von Google sieht Web 3.0 etwas anders: http://www.youtube.com/watch?v=T0QJmmdw3b0
@theduke
Die Eula wurde schon “korrigiert”
Blogistan Panoptikum KW35 2008…
Googles-Chrome Launch erhitzte in der vergangenen Woche die Netz-Gemüter, und auch bei Twitter hat sich so manches getan. Beherrschendes Lokal-Thema im .at-Netz sind natürlich die bevorstehenden Neuwahlen.
……
Als nächstes wird Google auch ein Betriebssystem auf den Markt bringen. Mit den gesammelten Daten kann dies positiv, wie negativ zielgerichteter sein.
[…] hat (genau wie ich) keinen Bock auf Chrome, Marcel und Helge glauben an den Erfolg von G’s jüngstem Spross. Die Zeit wird’s weisen, denn […]
Laut jüngsten Meldungen will Google 2009 so richtig durchstarten mit Chrome und will ihn sogar auf Rechner vorinstallieren lassen. Damit geht die Erfolgsstory wohl so richtig weiter.
[…] September schrieb ich, warum Google Chrome ein Betriebssystem ist, und kein Browser. Heute – beim Schreiben des G1-Reviews – wurde mir klar, dass Google Android […]
[…] weiterlesen […]
[…] Bestandteil von Chrome OS ist, wie der Name schon verdeutlicht, der Browser Google Chrome. Wer genauer hingeschaut hat, konnte in dem Google Browser schon immer Googles Türöffner in die Welt der […]
[…] helge.at […]
Nun,ich muss sagen ich nutze den Chrom seit der 1.Erscheinung….und gehöre zu den ersten Testern….und wenn verwunderts wenn ich sage, schnell,persönlickeitsorientiert und kundenfreundlich….das ist Google Chrome.
Und ja, ich bin begeistert….IE,Opera und Mozilla unsw. können nicht mithalten. Die sind meist zu langsam und zu überladen.
Aber ich denke,und das ist meine persönliche Meinung, in der heutigen Zeit, die immer schneller voranschreitet, das Inet immer weiter wächst…ist google der einzige,der mit der zeit geht. Zwar sind einge kleine Fehler im System, aber denken wir mal an die ersten Schritte des Inets….das Inet ist Bestandteil des Lebens geworden, und genauso wie wir unser Computer oder Handy individuell einrichten,auf uns anpassen….so wird der Weg im Internet mit Google laufen….
Vergessen wir mal nicht, das zwar Windows die meisten Nutzer (noch) derzeit hat….aber Apple wohl das besser System ist, nur der Preis und die Nutzbarkeit auf nicht jeden Rechner, sind wohl eher das problem.
Lassen wir uns überraschen, was Google für uns bereit hält…in Zukunft!
euer Deja
(und NEIN ich arbeite nicht für Google)