Christoph Chorherr fragte während der gemeinsamen Zugfahrt zum PolitCamp in die Runde, wie man das Internet nutzen könnte, um flexiblere Carpooling-Modelle für die städtische Peripherie zu entwickeln. Dort ist die Wohndichte zu niedrig für ein hochfrequentes Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln, aber ein steter Strom halbleerer Privatfahrzeuge fährt täglich in die Stadt und abends zurück.
Klar, hier gibt es längst eine Reihe von webzweinulligen Initiativen im Internet, die Carpooling organisieren, zb. GoLoco, eRideShare oder PickupPal. Spontan lässt sich ein solches Carsharing aber nicht abwickeln, man muss da schon gut planen. Das eigene Auto behält damit einen zu großen Vorteil.
Außer man möchte Autostoppen. Autostoppen?
Als die Russen Cuba 1991 schlagartig den Ölhahn zudrehten, begann die “Perà odo Especial“, in der u.a. Carpooling und Autostopp von oben verordnet wurden. Jedes staatliche Auto ist heute noch verpflichtet, Autostopper mitzunehmen. Als ich vor ein paar Jahren mit dem Mietwagen auf Cuba unterwegs war, hatten wir auch ständig Autostopper hinten drin, fand ich sehr lustig. (Die Dokumentation “The Power of Community” zeigt, welche Lehren wir in Zeiten von Peak Oil aus den kubanischen Strategien ziehen können.)
Aber ich schweife ab. Also Autostoppen. Die Frage die mich seit dieser Zugfahrt beschäftigt, ist, wie man die Vorteile von Autostoppen (Spontaneität) mit den Vorteilen organisierten Carpoolings (Sicherheit, Vertrauen, kurze Wartezeiten) paaren könnte.
Mir ist ein Modell eingefallen, aber ich habe keine Ahnung, ob das technisch machbar ist. Aber ich vermute mal: Ja. (Bitte um sachdienliche Hinweise!) Nötig wäre die Zusammenarbeit von öffentlicher Hand und Mobilfunkbetreibern – beim entsprechenden politischen Willen kein Problem.
Die Sache geht so:
(1) An Hauptrouten in der Peripherie Richtung City (oder wohin auch immer die Hauptströme der Pendler gehen) einerseits und an Ausfallsstraßen, Park-n-Ride-Anlagen und Ubahn-Endstationen andererseits (für den Rückweg) werden entsprechende Haltestellen installiert.
(2) Diese Haltestellen sind mit Mobilfunktechnologie (grob gesagt à la IMSI-Catcher) sowie zwei grünen Lampen ausgestattet.
(3) Sobald ein “Autostopper” sich auf eine solche Haltestelle stellt, und er sein Mobiltelefon in der Tasche hat, das auf der Website des Dienstes registriert ist (und sein User dort nicht zuviele negative Reviews gekriegt hat), leuchtet das Autostopper-Licht grün.
(4) Vorbeifahrende Autofahrer sehen den Autostopper und das grüne Licht und können nun stehen bleiben. Sind sie ebenfalls dort registriert (und vertrauenswürdig), leuchtet das Autofahrer-Licht ebenfalls grün. Die beiden können nun miteinander reden und ihre Ziele abstimmen.
(5) Jeder Haltestellen-Kontakt wird im Web-Dienst zur Sicherheit aller protokolliert. Dort haben die miteinander in Kontakt getretenen nachher auch die Möglichkeit, positive oder negative Bewertung des anderen abzugeben, Ã la Ebay. “Reputation Management”, dafür existieren mittlerweile genügend ausgewogene und getestete Modelle. Siehe Couchsurfing, dort funktioniert das sogar für gemeinsame Übernachtungen prächtig. Wie sich jemand nach zuvielen negativen Bewertungen rehabilitieren kann, müsste man noch überlegen, aber auch das ist lösbar.
(6) Dabei gefällt mir Chorherrs Vorschlag gut, den Autofahrer aus öffentlichen Mitteln mit ~50 Cent für jedes Mal Mitnehmen (oder für jede postive Bewertung?) zu belohnen. Sowie vielleicht besonders fleißige Mitnehmer irgendwie zu ehren. Schließlich ist sowas immer noch um einiges billiger als Individualverkehr subventionieren zu müssen (wie derzeit) oder teure Bus/Bahn-Linien hochzuziehen.
Weiß jemand der Mitlesenden, wie man das technisch umsetzen müsste? Wie erkennt ein “Laternenpfahl” die Identität eines Handybesitzers (der dies wünscht)? Wie kann man den Umkreis dieser Erkennung so einschränken, dass sicher ist, welcher Autostopper und welches Auto gemeint ist?
(Illustration aus der Wikipedia und Public Domain.)
13 replies on “Carpooling übers Handy oder Autostoppen 2.0”
Identifikation mit Bluetooth wäre eine Möglichkeit. Dann brauchst Du keinen Netzbetreiber. Bluetooth hat heute de facto jedes Handy. Das ist besonders interessant, weil es, sofern der Benutzer dies nicht abgeschaltet hat, die Mac Adresse broadcastet. Und Du somit eine Identifikation vornehmen kannst (datenschutzmäßig bedenkliche Projekte gibt es bereits, die das ausnutzen: z.B. http://www.aka-aki.com/).
Ich sehe eher ein praktisches Problem: Eine Säule, 20 Wartende. Oder mehrere Autos, die stehenbleiben. Was machen die Lampen dann? Oder doch ein großer Monitor, auf dem die Gesichter oder andere Details angezeigt werden?
dies über das Mobilfunknetz zu realisieren wäre sicher möglich, ist aber technisch aus meiner Sicht zu komplex und politisch sicher nicht umsetzbar.
Ich würde es ganz einfach via Infrarot oder Bluetooth umsetzen. Das beste Beispiel sind ja die “interaktiven Litfaßsäulen”, die über Infrarot die MSISDN auslesen, die Daten an den Server kommunizieren und dann einen Klingelton o. ä. zusenden.
Das gleiche könnte in Deinem Fall funktionieren. Handy -> IR -> Haltestelle mit GSM Modem -> Datenverbindung (oder SMS) -> Server-Abfrage -> OK Response -> Bling!
Noch feiner wäre natürlich, dies mittels Bluetooth zu realisieren. Sobald das Handy in die Range Deiner Haltestelle kommt gibt es die Datenverbindung via Bluetooth. Kann aber schwer beurteilen,ob das aufgrund von Pairing etc. auch massentauglich wäre.
Makes sense?
Interessant!
In kuba müssen touristen mit leihwagen niemanden mitnehmen – anderes kennzeichen!
Zum modell: wie erkennt das system ob jemand tatsächlich in ein auto eingestiegen ist? Oder ob bereits jemand drinnen sitzt? Bei zwei vorfahrenden autos kann jemand auch erst ins zweite fahrzeug einsteigen!
@Adalbert: Ja, wir haben die Hitchhiker durchaus freiwillig mitgenommen :-)
Ich finde es nicht so wichtig, dass Fahrten zweifelsfrei erfasst werden. Dann werden halt “Kontakte” erfasst, also Autostopper zu beiden Autos. Nicht schlimm. Geht hier ja nur um die Nachverfolgbarkeit, damit kein Kampusch-Fall passiert, oder so.
Martin schreibt per Email:
aus dem Bauch heraus, ohne viel Reflexion:
Eine positionierung über die zelle würde wahrscheinlich ausreichen, um eine genügend kleine auswahl (wenn überhaupt mehr als ein Treffer) im car-client anzuzeigen. die mobile google-suche verwendet das ja analog.
Also: nummer bzw codierung der “haltestelle” wird in gis-koordinaten am server übersetzt, und über den provider mit zellen-information gematched – könnte mit google-maps gehen? der server zeigt alle stationen an, die “besetzt” sind, aber der autofahrer sieht durch das zellenbasierte geo-filtering “seine” nächstgelegene stationen. der autofahrer triggered den match durch klicken auf die station (“kontakt aufnehmen”), der rest ist 08-15 web 2.0
Ein klein wenig Umweltökonomie (hab vergessen, wie das genau genannt wird):
Bei der Einführung gibt ´s folgendes Problem. Nur wenige Fahrzeuge machen mit. Für mich als User kann es schwer sein, eine geeignete Fahrgelegenheit zu finden – d.h. gegenüber der Fahrt mit dem eigenen Fahrzeug ist das Warten auf ne Mitfahrgelegenheit unattraktiv. Deshalb entscheiden sich nur wenige bei diesem Autostoppen mitzumachen und das Modell hebt nicht ab.
Dagegen steht dann doch der Einführungsaufwand (neben Technik auch noch Marketing!). Vielleicht wäre es doch besser, den öffentlichen Verkehr auszubauen und auf den motorisierten Individualverkehr hohe Abgaben zu kassieren (Roadpricing, parkgebühren, wenig Strassenausbau, City-Maut) – damit der öffentliche Verkehr vergleichsweise attraktiver wird. Naja, in einem Wahljahr ist dies schwer durchsetztbar.
@Adalbert: Das was du forderst, ist für urbane Räume genau das richtige. Hier geht’s aber um die zersiedelten Randgebiete, die dafür nicht die ausreichende Dichte aufweisen.
Und zu deiner Problembeschreibung. Das ist das Henne-Ei- oder auch Cold-Start-Problem. Da gibt’s Strategien dagegen. In diesem Fall ist das vor allem eine Frage des ausreichend großen politischen Willens.
hoi. gerade bei der Google Android Developer Challenge gesehen:
“cab4me”
http://code.google.com/android/adc_gallery/app.html?id=5
abgewandelt könnte das was für deine Idee sein.
[…] schon vorher benutzt habe, verstehe ich das nicht ganz. Bite helfen – ich frage vor allem explizit dich und dich und dich, weil ich denke, dass ihr davon Ahnung […]
Ich glaube nicht das man unbedingt spezielle Stationen braucht. Die sind nämlich nicht nur teuer in der Anschaffung sondern auch nicht das gelbe vom Ei. Der Anhalter muss eine dieser Stationen zuerst einmal finden und ggf zu ihr hin laufen. Das wäre im urbanen Bereich kein Problem, am Land aber schon. Eigentlich müsste der Anhalter nur per Handy bekannt geben das er eine Mitfahrgelegenheit sucht, sein Aufenthaltsort wird per GPS den Server gesendet.
Der Autofahrer sieht im GPS wo eine Mitfahrengelegenheit von wem gesucht wird und kann eventuell gleich Bescheid geben das er den Anhalter mitnehmen wird und der kann sich darauf einstellen.
Da müssen natürlich zuerst die GPS-Hersteller mitspielen, und es werden sicher nicht so viele Autofahrer erreicht wie mit Masten, aber dafür sind die Erstkosten geringer.
Nur zur Info: Der in Deutschland beliebteste Service Mitfahrgelegenheit wurde Anfang August auch in Österreich gelauncht: http://www.mitfahrgelegenheit.at
Ich finde das alles andere als kompliziert. Klar, ein paar Stunden vorher sollte man eventuelle Fahrer schon anrufen, damit noch ein Platz frei ist – trotzdem bleibt es kurzfristiger planbar, als z.B. Spartickets der ÖBB.
Das hier mach so was.
Anstatt eigene Stationen einzurichten, könnten Tankstellen als Drehscheibe fungieren. Dort gibt es meist auch eine Theke, die die Wartezeit verkürzt.
Der Abgleich der Fahrziele müsste schon über das System erfolgen, sonst bleibt niemand extra stehen. Stopper schickt Ziel per SMS und Autofahrer hat Route auch per SMS oder schon vorher übers Web eingetragen.
Ich sehe noch ein Haftungsproblem: ohne Insassenversicherung (und das haben die wenigsten, die ist teuer), haftet der Autofahrer bei einem allfälligen Personenschaden am Autostopper. Das ist der eigentliche Grund, weshalb viele Autofahrer niemanden mitnehmen (zumindest in Vorarlberg gibt es dazu ein ausgeprägtes Bewusstsein). Die Förderung müsste also insbesondere auch einen Versicherungsschutz umfassen.
–RAS