Ich durfte in den letzten Tagen Barbara Ondriseks spannende Dissertation zum Thema “Sicherheit von elektronischen Wahlen” lektorieren und habe die Gelegenheit genutzt, mit ihr ein kurzes Interview zum Thema zu führen:
Barbara, wozu brauchen wir E-Voting – was ist “kaputt” an der Papierwahl?
Mit dem Internet könne man mehr Leute erreichen, deswegen wollen Politiker E-Voting. Außerdem steckt viel Geld und politisches Interesse dahinter, das bestehende Wahlsystem zu erweitern (in Österreich wird es 2009 parallel zu den Urnenwahlen wahrscheinlich zu Internetwahlen bei der ÖH- und EU-Wahl kommen).
Du vermutest versteckte Gründe?
Angeblich war Platter zufällig zeitgleich in Brasilien, als die Wahlmaschinen dort eingeführt wurden, hat die gesehen und wollte dann auch welche. Es gibt vor allem politische Gründe für die Einführung eines solch unsicheren, intransparenten Systems – andere Gründe wie Kosteneinsparung, Erhöhung der Wahlbeteiligung etc. werden nur vorgeführt.
Was spricht dagegen, moderne Technologien zu nutzen?
Bei E-Voting geht es, im Gegensatz zu Onlinebanking, Bürgerkarten-Apps oder anderen Tools, um ein nicht nachvollziehbares oder transparentes System, dem man blind vertrauen muss. Doch das Internet ermöglicht eine Vielzahl an Attacken, gegen die noch immer kein Kraut gewachsen ist (z.b. Denial-of-Service-Attacken). Beim Onlinebanking ist nachvollziehbar, was passiert (wohin das Geld fließt), bei E-Voting nicht.
Ist E-Voting nicht viel billiger?
Studien aus Belgien, England und Canada zeigen, dass die elektronischen Wahlen teurer waren als eine herkömmliche Urnenwahl.
Welche Wahlgrundsätze sind bedroht?
In Österreich gilt der Grundsatz der allgemeinen, freien, gleichen, geheimen und persönlichen Wahl. Bei E-Voting ist besonders das freie, geheime und persönliche Wahlrecht umstritten, wobei es hier um Probleme wie Stimmenkauf, Wahlzwang, Nachvollziehbarkeit, Transparenz und Öffentlichkeit geht.
Ist 100%-sicheres E-Voting unmöglich?
100% sichere Computersysteme existieren nicht, das gilt auch für E-Voting.
Glaubst du dass staatliche Stellen versuchen könnten, das Wahlverhalten einzelner Bürger zu erfassen?
Interessant ist schon, dass gleichzeitig Internetwahlen gefordert werden und auf der anderen Seite der Bundestrojaner kommen soll, mit dem man den Computer der Bürgerin “abhören” kann. Ein Internetwahlverfahren ermöglicht natürlich die Zuordnung der Person zur Stimme. Hier muss man sich auch drauf verlassen, dass die Zuordnung nicht gespeichert wird.
Du hast eine wissenschaftliche Methode entwickelt, um E-Voting-Syteme sicherer zu machen – spielst du damit nicht der Einführung von E-Voting in die Hände?
Es geht eher darum, diese Systeme vertrauenswürdiger zu machen. Meine konstruktive Methode, mit der man E-Voting-Systeme bewerten, optimieren und vergleichen kann, zeigt auf, wie unsicher die heutigen elektronischen Wahlsysteme sind. Es gibt derzeit keine verpflichtende Zertifizierung von Wahlcomputern oder Internetwahlverfahren (etwa nach Common Criteria), das wäre mal ein Schritt in die richtige Richtung. Da setzt auch meine Dissertation an.
Danke für das Gespräch!
Barbaras Blog-Postings zum Thema finden sich auf ihrem Blog in der Kategorie E-Voting.
Illustration © Cox & Forkum, used with permission
6 replies on “Sicherheit von E-Voting, ein Interview”
Die Frau spricht mir aus der Seele. Wenn eVoting tatsächlich eingeführt wird, wird damit das Wahlgeheimnis und einhergehend das Prinzip der freien Wahl zu Grabe getragen. Manipulanten wäre auch dann Tür und Tor geöffnet, wenn die Systeme bombensicher wären. Um Druck auszüben würden dann Andeutungen genügen – “Denk dran, wir werden wissen, was du ankreuzelst…” usw
nach abschluss meiner diss sind politische schritte geplant. informieren werde ich weiterhin auf meinem weblog http://electrobabe.at (ab besten über den feed http://electrobabe.at/feed abonnieren)
[…] 29 04 2008 helge hat ein interview mit mir zum thema sicherheit von e-voting (mein diss thema) gebloggt, das recht gut auf den punkt bring, wo die probleme bei internetwahlverfahren und wahlmaschinen […]
[…] noch ein seriöser Lesetipp zum Thema. _________to fuck with: an etw. rumpfuschen, jmd. verarschen [↑] Ähnliche Artikel: WC? […]
[…] (via helge) © Cox & […]
nach dem interview wurde die plattform papierwahl.at gegründet, die sich kritisch mit dem thema elektronischer wahlen auseinandersetzt. wer sich mit der materie mehr auseinander setzen möchte, ist auf papierwahl.at genau richtig