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Warum ich kein Binnen-I verwende

Ein Rätsel: Vater und Sohn fahren im Auto. Sie haben einen schweren Unfall, bei dem der Vater sofort stirbt. Der Bub wird mit schweren Kopfverletzungen in ein Krankenhaus gebracht, in dem ein Chef-Chirurg arbeitet, der eine bekannte Kapazität für Kopfverletzungen ist.

Die Operation wird vorbereitet, alles ist fertig, als der Chef-Chirurg erscheint, blass wird und sagt: “Ich kann nicht operieren, das ist mein Sohn!”.

Frage: In welchem Verwandtschaftsverhältnis stehen der Chirurg und das Kind?

Mit diesem Beispiel zeigt ein Artikel auf ORF Science wie sehr männliche Rollenbilder mit dem generischen Maskulinum im Deutschen verknüpft sind. (Auflösung: Der Chirurg ist die Mutter.)

Trotzdem finde ich Binnen-Is zum Speiben. Zé Do Rocks radikaler Forderung nach einer neuen neutralen Endung (der Leser/die Leserin -> de Lesi) könnte ich mich dagegen sofort anschließen.

Ich glaube, dass es für eine Sprache schlecht ist, nur Bezeichnungen zu kennen, die jeweils ein Geschlecht ausschließen, egal ob tatsächlich (Leserin, Kater) oder gefühlt (Leser, Katze). Wir bräuchten eine biologisch übergeschlechtliche Bedeutung. Englisch hat hier den Vorteil, nur den Artikel “the” zu kennen, sodass einem das Genus des Wortes nicht so bewusst wird.

Solange geschlechtsneutrale Vorschläge à la Lesi von niemand verstanden werden, verwende ich weiterhin das jeweilige grammatikalische “Genus”, unabhängig vom “Sexus” des Beschriebenen. Binnen-Is wird’s auf helge.at also keine geben – Leserinnen die sich von “Leser” nicht angesprochen fühlen, mögen den Grund bitte nicht bei mir suchen.

SauereI

25 replies on “Warum ich kein Binnen-I verwende”

Das Innen führt meiner Meinung nach zu einer deutlich schwereren Lesbarkeit vieler Texte, ganz abgesehen davon wird die Länge unnötig aufgeblasen. Und mache scheinen sich ja direkt einen Sport daraus zu machen …

Die Bedeutung eines Wortung ergibt sich aus seinem Gebrauch in der Sprache. Wenn also “de Lesi” nur lange genug für männliche Leser verwendet wird, so wird “es” maskulin klingen. Wenn “der Chirurg” je nach Kontext einen männlichen Chirurgen oder einen männlichen oder weiblichen Chirurgen bezeichnen kann, und das Wort auch entsprechend verwendet wird, so ist damit langfristig mehr geholfen, als ein Wort (Leser) durch ein anderes (Lesi) zu ersetzen, aber die Bedeutung der Phrase nicht zu ändern.

Allerdings hat die zitierte Geschichte einen kleinen Haken: Da im Singular geschrieben und auf eine einzelne existierende Person bezogen, ist sie grammatikalisch schlichtweg falsch – und nur deswegen irreführend. Ein wenig richtiger würde sie werden, wenn die Mutter vor Jahren mal der Vater war … aber das führt hier wohl zu weit.

Im Plural oder im allgemeinen Kontext “Der Chirurg als …” wäre das etwas natürlich anderes. Da ist tatsächlich jede brachial-ver-i-ung – auch genannt “Der Doppelname für Arme” ;-) ebenso überflüssig wie schmerzhaft. Bleiben wir doch beim Alten.

@Martina: Nein, eben nicht. Das Geschlecht ist ein grammatikalisches (Genus) und hat mit dem biologischen nichts zu tun. “Chirurgin” hingegen beschreibt das biologische (Sexus), eine optionale Spezifizierung.

Und “beim Alten” will ich eigentlich auch nicht bleiben – weil da genau der beschriebene Effekt eintritt: Die Frau als möglicher Chirurg wird marginalisiert.

Danke für den Beitrag. Ich denke, dass ich in der Vergangenheit in dieser Frage ein wenig schwankend war und sie mir nicht so bewusst gemacht habe – das bInnen I jedoch ebenfalls zum Speiben finde. Ich werde in Zukunft ebenso vorgehen wie Du…

Nur die konsequente Benutzung der ganz normalen deutschen Sprache mit dem aus dem Zusammenhang – wo immer es sich anbietet – hervorleuchtenden geschlechtsneutralen Kontext kann das Thema langfristig von selbst erledigen. Und aus. Bis einer etwas Besseres einfällt… ;)

Sobald “Chirurg” sofort mit beiden Geschlechtern assoziiert wird, werden wir übrigens eine weitere Debatte bekommen: Den Männern fehlt die “optionale Spezifizierung”… den Ärmsten.

Interessant. Wieder etwas gelernt. Ich wusste gar nicht, dass Nomen, die einen männliche und eine weibliche Ausprägung (u.U. mit Binnen-i) tatsächlich ein eindeutig bestimmbares Genus haben. Ich dachte immer, das Genus bestimmt sich bei diesen Wörtern aus dem Sexus … macht aber sobald man den Plural betrachtet natürlich nicht wirklich Sinn.

Heißt das, das Wort “Kater” hat ein weibliches Genus? Denn die Gattungsbezeichnung ist ja “die Katze”.

Ich bleibe aber dabei, das Alte hat in der direkt ansprechenden Art auch seine schöne (und persönliche) Seite.

“der chirurg” bezeichnet definitiv eine männliche person – und zwar auschließlich. das beispiel ist daher extrem irreführend.
klar, dass bei verwendung von “die chirurgin” dann das beispiel und sein zweck in sich zusammenbricht.

Bezeichnet “der Löwe” definitiv einen männlichen Löwen? Bezeichnet “die Katze” definitiv eine weibliche Katze? Für mich nicht. Es kommt auf den Kontext an.

OK, aber auf welchen Kontext genau? Wenn wir den Satz: “Der Chirurg ist bei seiner Arbeit grossen Belastungen ausgesetzt” betrachten, dann haben wir – für mich – eine allgemeine Aussage über die Menge aller Chirurginnen und Chirurgen vor uns, ich würde gar nicht auf die Idee kommen, dass “der Schreiber” (inkl. potentieller Schreiberinnen) weibliche Chirurgen (aka Chirurginnen) ausschliessen wollte. Das wäre absurd, daher nehme ich es auch nicht von vornherein an, wenn ich mal bis zum Beweis des Gegenteils das Beste von meinem Gegenüber annehme…

Das Beispiel ist aber tatsächlich bewusst irreführend und ich würde daher auch nicht meinen, dass es als Beweis herhalten kann, dass männliche Rollenbilder immer noch so extrem verankert sind, denn: Wenn sich “der Chirurg” nicht mehr auf die Menge aller Chirurgen und auch nicht auf eine im Kontext uninteressante, unbestimmbare Person, sondern auf eine einzelne, bestimmbare Person bezieht, dann machen wir tatsächlich eine Aussage über das biologische Geschlecht. Der (unbekannte, nicht bestimmbare und im Kontext auch nicht interessante) “Schreiber” macht mit “Chef-Chirurg” eine Aussage über das biologische Geschlecht, weil es sich im Kontext um eine bekannte, bestimmbare Person handelt und dies vom Leser daher auch so wahrgenommen wird, weil er implizit annimmt und annehmen darf, dass das biologische Geschlecht dem Schreiber bekannt ist. Dieser müsste daher hier jedenfalls “Chef-Chirurgin” schreiben.

Was aber nichts daran ändert, dass “der Chirurg” bei allgemeinen Aussagen und unbestimmbaren Personen beide Geschlechter einschliesst, ebenso wie “die Katze”…

@F.: Mit “definitiv” ist das so eine Sache. Wer “definiert” das, du?

Die Linguisten definieren das meines Wissens anders. Zb. so (aus einem Posting in der Newsgroup de.etc.sprache.deutsch geklaut):

Genau so, wie Deverbalabstrakta auf ”˜-ung”™ immer feminines Genus haben, haben Nomina agentis auf ”˜-er”™ maskulines Genus. Da alle Deverbalabstrakta auf ”˜-ung”™ Feminina und alle Nomina agentis auf ”˜-er”™ Maskulina sind, ist das Genus hier eindeutig morphologisch und NICHT außersprachlich, also durch den Sexus des Beschriebenen bestimmt.

Siehe auch Wikipedia: Generisches Maskulinum.

@Maschi: Gibt noch weitere Beispiele generischer Feminina: Hexe, Waise, Person (wobei hier wie bei “Mensch” kein Sexus beschreibendes Wort existiert), Gans.

Ja, cool, dh unterm Strich ein politisches Rest-Problem haben wir dann nur deshalb, weil “generische Feminina” (man lernt nie aus) leider seltener existieren…

Ich glaube ja, das eigentlich wichtige ist, dass man solche Dinge bewusst macht und diskutiert. Tut man das, dann kann man am Ende Sprache und Schrift auch schon viel besser sein lassen wie sie sind und sich frei entwickeln lassen. Zu so einer freien Entwicklung gehören natürlich potentiell auch die Binnen-Is, die sich aber trotz teils massierter Verwendung für meine Wahrnehmung nicht auf breiter Front durchsetzen werden.

Und das ist für mich eigentlich auch ein Indiz dafür, dass sie ihren Zweck – die Bewusstseinserweiterung – zunehmend erfüllt haben…

@ maschi und F:
Danke, ihr habt besser beschrieben, was ich in meinem ersten Kommentar zu sagen versuchte. Ich denke auch, man muss unterscheiden, ob man von Personen im Allgmeinen (eine Gruppe, daher auch meistens – wenigstens implizit – Plural) oder von einer einzelnen bestimmten Person (meistens Singluar) spricht.

Im Plural wird der grammatikalischen Ausprägung u.U. ein dis-harmonierender sozialer Verstandeskontext beigestellt – im Singular erfordert die deutsche Grammatik in der Sprache, dass die grammatikalische Ausprägung der biologischen der Bezugsperson folgt. Was noch lange nichts am Geschlecht des Wortes selbst (und damit seines vermeintlich zugrunde liegenden Sozialfokus) ändert, oder liege ich da nun wieder falsch?

Nochmal breche ich eine Lanze für ein wenig Tradition: Ich finde Freundin, Chefin, Chirurgin in diesem Kontext viel eindeutiger und sprachlich schöner als die politisch korrekte Version im Englischen: friend, boss, surgeon.

Allerdings hat Helge in einem recht: Binnen-i’s die von einem und einer vorgegaukelten Chancengleichheit begleitet werden (z.B. Leser und Leserinnen) sind indiskutabel. Ein bisschen mehr Selbstbewusstsein, die Damen, bitte.

PS: Man sollte mal untersuchen, ob die Mehrheit der Bevölkerung bei “Chirurg” tatsächlich nur an eine Männer-dominierte Rolle denkt oder lieber an eine hübsche Blondine mit 12cm Absätzen, einem weißen Kittel und irgendwelchen fiesen Instrumenten ;-))

ich bin sehr dafür, die geschlechtsneutrale form nicht so schnell vom tische zu wischen. ich glaube, dass sie sehrwohl verstanden würde, auch wenn sie gänzlich ungebräuchlich ist. mir würde allerdings statt “de lesi” “das lesi” besser gefallen. denn die geschlechtsneutrale form des neutrum ist ja ein vorteil, den die deutsche sprache zu bieten hat.

mir ist es wichtig, sprachlich auch eine heimat als mensch zu haben. schön, dass wir frauen schön langsam eine finden – sei es durch binnen-I oder was auch immer. ich vermisse aber jene als mensch. in manchen kontexten ist das geschlecht wichtig, dann mag ich auch deutlich als frau angesprochen werden. in anderen zusammenhängen ist es unerheblich, ob manndl oder weibl, und dann freut mich diese trennung gar nicht.

Ich halte von “neutralen” Form wie “de Lesi” überhaupt nichts. Warum?
Nun, einerseits weil sie unglaublich hässlich sind und Sprache natürlich auch einen ästhetischen Wert hat, gerade wenn die Grenze zwischen Gebrauchs-(Kommunikations-) und künstlerischem Mittel überschritten wird, wie beispielsweise in der Literatur. Natürlich ist das eine sehr subjektive Ansicht, aber wenn man nicht als Sprachdiktator gelten will (was ich hier niemandem vorwerfen, nur zur Klarstellung) muss man anerkennen, dass Sprache immer nur ein Konsens von subjektiven Einzelmeinungen ist, die Frage über die Geltung von “de Lesi” nur Konvention.

Das führt mich zum zweiten Kritikpunkt, der hier bereits angesprochen wurde: Es wäre sehr wahrscheinlich, dass durch eine – naturgegebene – häufige Verwendung mancher nun neutraler Begriffe (z.B. “de Urologi”) sich diese wiederum als männlich besetzte einbürgern und man erst recht “die Urologin” bzw. “die UrologInnen” verwenden müsste, um “genderneutral” zu bleiben. In der Linguistik wäre das wohl ein Fall von Hyperkorrektur oder auch Ökonomisierung, weil es bei geschätzen 90% männlichen Urologen keinen Sinn machen würde, zwischen “die Urologen” und “de Urologi” zu unterscheiden.

Wichtig ist jedenfalls, niemals eine bestimmte Sprechweise gesetzlich festzulegen. Die FPÖ wollte dies ja bereits mit “deutschen” Begriffen machen und die Verwendung von beispielsweise Anglizismen in der Öffentlichkeit zu untersagen. So etwas ist natürlich ein unglaublicher Blödsinn, dem linke Parteien jedoch ebensowenig anheim fallen sollten, wenn es eben um “gendergerechte” Sprache geht.

Zur Frage “des Chirurgen”: Die Diskussion bedarf eigentlich nur einer Aufklärung. Sobald es um eine spezielle Person (wohlgemerkt: DIE Person!) geht, muß es im Falle einer Chirurgin klarerweise auch “die Chirurgin” heißen (->Sexus). Wird allgemein chirurgische Hilfe begraucht, tritt der Genus in Kraft – oder rief am Ende der den Jungen einliefernde Notarzt (genau! Das kann auch eine Ärztin gewesen sein!): “Hilfe! Wir brauchen dringend eine/n ChirurgIn!” – oder ähnlichen Unsinn? Wie gendert man überhaupt den Akkusativ von ChirurgIn? Und wie macht man aus genusmäßig weiblichen Formen (Person, Arbeitskraft, Lehrkraft, etc.) zweigeschlechtliche?
fragt sich ein aufmerksamer Leser dieser Seite…

Ich lehne die geschlechterspezifischen Schreibweisen ab, weil sie die Sprache meiner Meinung nach unnötig verkomplizieren. Wer das nicht glaubt, der möge geschlechterkorrekt formulieren: “1 Million Österreicher suchen einen Partner” oder “Angela Merkel ist der neue Bundeskanzler von Deutschland.” Und das am besten in einem Aufsatz, wo solche Aussagen zehnmal auf jeder Seite vorkommen.

Wenn, dann müsste man auch die Intersexuellen sichtbarer in der Sprache machen, denn die haben das noch viel dringender nötig. Dass es Frauen gibt, weiß jeder.

Ich bin aber der Überzeugung, dass “Österreicher” eine geschlechterneutrale Bezeichnung ist, denn es gibt zwar einen weiblichen Österreicher, aber keine männliche Österreicherin. Es sind daher keine neuen Wörter in der deutschen Sprache nötig und man könnte sich für wichtigere Dinge einsetzen.

Das Beispiel mit dem weiblichen Chirurgen ist gut. Ich würde daraus jedoch – im Gegensatz zu anderen – den Schluss ziehen, dass man auch für eine Frau häufiger die angeblich männliche Form einer Bezeichnung verwenden sollte.

Gruß, Mario Sedlak

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