Wenn sich einer der führenden Informatiker des Landes kritisch mit Googles Wissensdurst und der daraus resultierenden Datenschutzproblematik beschäftigt, ist das grundsätzlich zu begrüßen. Hermann Maurer, Dekan der Grazer Informatikfakultät, tut das in seinem Aufsatz “Google- Freund oder Feind?” ausführlich. (Siehe iicm.tugraz.at bzw. hier.) Der Text erschien in abgewandelter Form auch in der “Presse” und im renommierten Wissenschaftsmagazin Informatik Spektrum.
Wenn Mauer dabei den Dienst “Google Docs” fälschlich als “Google Files” und das Motto “Don’t be evil” als “Do no evil” bezeichnet, ist das harmlos. Dass er sich aber in apokalyptische Mutmaßungen versteigt, für die er jegliche Belege schuldig bleibt, ist eines Wissenschaftlers ziemlich unwürdig. Ein Beispiel:
Google mag z.B. durchaus in der Lage sein, die bevorstehende Wertveränderung von Immobilien in einer bestimmten Weltgegend mit 99% Sicherheit durch Analyse der vorliegenden Daten zu bestimmen. (..) Es ist zu bezweifeln, dass unser Wirtschaftssystem einen ”žMitspieler“ aushält, der die (nähere) Zukunft immer genauer kennt!
Gut, dass Maurer Fantasie hat, ist ja bekannt. (Hervorhebung von mir.)
Richtig abstrus wird es, wenn er die jährlichen Aprilscherze aus Mountain View für bare Münze nimmt und allen Ernstes gegen Gmail Paper und Google TiSP (“Toilet Internet Services Provider”) zu Felde zieht. Die Firma P1 Privat GmbH bezeichnet er dabei als Googles Partner in der Umsetzung von Gmail Paper, diese ist aber lediglich Sieger im Markenrechtsstreit um gmail.de und damit Gegner, nicht Partner. Maurer, der immer wieder moniert, dass zur Recherche nur noch Google und Wikipedia herangezogen würden, schafft offenbar nicht einmal das.
Nur, warum drucken eine Qualitätszeitung und ein wissenschaftliches Journal so einen Mist? Weil er von einem Dekan stammt?
In seinen Vorträgen (PDF) beflegelt Hermann Maurer gerne Blogger:
Heute, wo am Web (sic!) jeder dieselbe Reichweite hat, zählt das Wort eines Experten genau so viel wie das Stammeln eines Idioten
Dass sich die Aussage als richtig erwiesen hat, dürfte Maurer freuen. Dass er sich selbst dabei nicht auf der Seite der Experten findet, vermutlich weniger. Wie Smi schon sagt: Manchmal ist es Zeit aufzuhören bevor es peinlich wird.
7 replies on “Grazer Dekan badet im Fettnäpfchen”
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hehe… thx für den beitrag! eigentlich eher zum weinen, aber das ist wirklich grandiose realsatire!
[…] und spekulativen Thesen rund um Google lächerlich – er, der es in diesem Kontext nachweislich selbst nicht schafft, ordentlich zu recherchieren. (Na, immerhin tauchen die Aprilscherze von Google, denen Maurer zuletzt aufgesessen ist, im neuen […]
[…] 2: Noch zwei interessante Reaktionen der Blogsphäre: Grazer Dekan badet im Fettnäpfchen, heißt es in Österreich, und bei Mathias Schindler gibt es ein paar gute Argumente gegen […]
Mich würde ja seine Meinung zu dem KNOL Projekt von Google interessieren, dass ja als Konkurrenz zur Wikipedia verstanden werden kann. Ist es nun gut, dass es nicht eine “monopolistische” freie Enzyklopädie gibt oder ist es schlecht, weil sie vom Klassenprimus kommt? Ich hoffe da gibts von Herrn Maurer mal ein Statement.
Bevor ich’s vergesse: Die von Sergey Brin’s Frau gegründete (und von Google mitfinanzierte) Firma 23andMe, die dem Kunden nach dem Einsenden einer Speichelprobe, stets mit neuen Erkenntnissen zu dessen DNA versorgt, wäre doch sicher auch noch einen Maurer Artikel wert. Den Verschwörungstheorien sind wie immer keine Grenzen gesetzt.
[…] lecture on the topic that is freely available as MP3s on the net. There is also another blog posting about Hermann Maurer’s controversial article that is totally worth […]